Ein Monat nach Beginn der Vorsorge-Massnahme zeigt sich: Längst nicht alle Hühnerbesitzer, die in der Risikozone wohnen, haben ihren Tieren den Ausgang gestrichen. Viele sehen den Sinn der Massnahme schlicht nicht ein.

Marie Häusermann aus Seengen und ihre 80 Hühner haben Glück. Der Hof befindet sich einige hundert Meter jenseits der Grenze, die darüber entscheidet, ob die Hühner in den Stall müssen oder nicht: «Ich bin sehr froh darüber», sagt die Bäuerin.

Vom letzten Jahr, als auch sie die Hühner in den Stall sperren musste, wisse sie, welcher Stress das für die Tiere gewesen sei. Nur ungern erinnert sie sich daran, wie die Hühner einander die Federn auszupicken begannen. «Wenn wir dieses Jahr wieder betroffen gewesen wären, hätte ich mir ernsthaft überlegt, die Hühner wegzugeben», sagt sie.


Flexiblere Fristen erwünscht

Mehrere Geflügelhalter in der Risikozone haben dies getan. Sie wollten ihre Tiere nicht sechs Monate lang ununterbrochen eingesperrt haben. Einige haben den Bestand wegen der Stallpflicht zumindest reduziert und mehr Hühner geschlachtet als sonst üblich. Andere haben die Aufzucht von Küken auf nächsten Frühling verschoben.

«Man hätte den Beginn der Stallpflicht flexibler handhaben sollen», sagt einer, dessen Hühner ordnungsgemäss in einem Stall untergebracht sind. «Bei uns ist nicht ganz alles so, wie es sein sollte», sagt eine Geflügelhalterin, die ihre Tiere zwar eingesperrt hat, aber in einem Konstrukt, das einer genauen Überprüfung kaum standhalten würde. «Ein Spatz könnte hier sicher durchschlüpfen.»

Während die einen die Stallpflicht zähneknirschend umsetzen, gibt es Geflügelhalter, die sich über die Anweisungen hinwegsetzen und ihrem Geflügel freien Auslauf gewähren. Viele Halter sehen den Sinn der Massnahme schlicht nicht ein: «Es gibt weit und breit keinen Vogelgrippe-Fall.»

Sollte es einen Verdachtsfall geben, wären unsere Hühner innerhalb einer Stunde im Stall, sagt eine Geflügelhalterin, die wie alle anderen Angetroffenen nicht namentlich genannt werden möchte.

Für Gesprächsstoff sorgt auch die Festlegung der Risikozone auf einen Kilometer. Eine Person nahe der Grenze erklärt: «Wenn wir unsere Tiere dem Nachbar geben würden, dürften sie frei herumlaufen.»

Kein Verständnis für Unmut

Kantonstierärztin Erika Wunderlin, die den Vollzug der getroffenen Massnahme kontrollieren muss, hat für die Nachlässigkeit der Geflügelhalter wenig Verständnis: «Dass es noch keinen Fall gegeben hat, ist der Stallpflicht zu verdanken.»

Eine profunde Risikoanalyse habe letztes Jahr ergeben, dass das Ausscheiden einer Risikozone entlang von Gewässern die beste Prävention gegen die Vogelgrippe sei.

Wie von Anfang an geplant will die Kantonstierärztin in den nächsten Tagen Stichproben durchführen. Auf Nachsicht dürfen fehlbare Hühnerhalter dabei nicht hoffen. Alle betroffenen Geflügelhalter seien informiert worden und wüssten Bescheid: «Wir würden sehr schnell Anzeige machen», sagt Wunderlin. Im Extremfall könnten die Hühner sogar eingezogen werden.

Mit diesen Androhungen dürfte der Ausgang für einige Hühner wohl bald zu Ende gehen. Denn: Je kälter es wird, desto grösser wird laut der Kantonstierärztin das Risiko eines Vogelgrippe-Ausbruchs. (mz/me/krea)