Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Monitoring der österreichischen Braunbären
Dr. Balfanz
27.01.2008, 16:50
In einem noch unveröffentlichten Monitoring-Bericht Österreichs an die Europäische Kommission vom 21.12.2007 werden den heimischen Braunbären "bad prospects" - also schlechte Aussichten für ihr Überleben - prognostiziert.
"Dabei gibt es in Österreich auf rund 25.000 Quadratmetern genügend geeigneten Lebensraum für unsere Bären", kritisiert WWF-Bärenprojektleiter Christoph Walder. "Gemäß der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie hat Österreich die Pflicht, für seine bedrohten Arten einen 'günstigen Erhaltungszustand' sicher zu stellen", unterstreicht Prof. Chris Walzer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (FIWI). Die Projektpartner appellieren an Bund und Länder, nun rasch geeignete Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Neben einer Besenderung der Bären müsse auch ernsthaft über aktive Bestandesstützungen nachgedacht werden.
In einem Zyklus von sechs Jahren müssen die EU-Mitglieder den Zustand aller Arten und Lebensräume von europäischer Bedeutung auf ihrem Hoheitsgebiet bewerten und nach Brüssel melden, ob für sie ein "günstiger Erhaltungszustand" vorliegt. Dieses Monitoring ist ein wichtiges Instrument im europäischen Naturschutz und dient auch als Gradmesser für den Erfolg gesetzter Schutz-, Erhaltungs- und Fördermaßnahmen.
"Schlechter Erhaltungszustand" der Bärenpopulation
Laut dem vorliegendem Bericht befinden sich die heimischen Braunbären in einem "schlechten Erhaltungszustand". Außerdem wird der dramatische Rückgang der Bestände der zentralösterreichischen Bärenpopulation im Grenzgebiet Niederösterreich-Steiermark bekräftigt. "Von allen seit 1998 in den Nördlichen Kalkalpen nachgewiesenen 35 Bären sind nur noch maximal 4 am Leben", berichtet Prof. Walzer. Als Grund für das Verschwinden der Bären werden im Bericht maßgeblich "illegale Abschüsse" genannt. Weiters wird darin festgestellt, dass in Österreich auf 25.000 Quadratkilometern genügend geeignetes Habitat für bis zu 500 Bären vorhanden wäre. Die Untergrenze für eine überlebensfähige Population wird mit etwa 100 Bären angegeben. Mit einem aktuellen Bestand von 3 bis 4 Tieren in den Nördlichen Kalkalpen und einzelner Männchen in Kärnten, die aus Slowenien zu- und wieder abwandern, liegt die Anzahl der Bären in Österreich derzeit deutlich darunter.
Appell an die Behörden
WWF und FIWI nehmen das alarmierende Ergebnis des Berichtes zum Anlass, die österreichischen Bundesländer und das Lebensministerium an ihre Verantwortung für die heimischen Bären zu erinnern. Neben der besseren Überwachung der verbliebenen Bären durch eine Besenderung müsse auch die Informations- und Aufklärungsarbeit verstärkt werden. Diese Maßnahmen dürften jedoch nicht ausreichen, um die Bären vor dem Aussterben zu bewahren, befürchten die Experten. "Österreich muss dringend über eine aktive Bestandesstützung für die Bären nachdenken", fordern demnach Christoph Walder und Chris Walzer. "Aus eigener Kraft wird sich unsere Bärenpopulation wohl nicht mehr erholen."
Quelle: vu-wien.at
Dr. Balfanz
16.04.2008, 18:22
"Am Abend des 14. Aprils 2008 wurde im Raum Mittelbünden der Bär JJ3 erlegt. Der Wildbär war zum Sicherheitsrisiko für Menschen geworden, weil er systematisch in Siedlungen nach Nahrung suchte und trotz wiederholten Vertreibungsaktionen in den Dörfern keine wachsende Scheu zeigte. Der Abschuss erfolgte im Rahmen des Konzepts Bär Schweiz.
Der Bär JJ3 war im Herbst 2007 und in den letzten Wochen nach der Winterruhe durch seine Streifzüge durch Siedlungen in der Grossregion Lenzerheide, Albulatal, Savognin aufgefallen; er suchte seine Nahrung regelmässig in Abfallbehältern und Containern und zeigte keinerlei Scheu mehr vor Menschen und Siedlungen. Es kam zu mehreren Begegnungen von Menschen mit dem Bären. Er hatte sich zwar nie aggressiv gegenüber Menschen verhalten. Jedoch wurde das Risiko eines Unfalls, bei dem ein Mensch verletzt oder gar getötet wird, unverantwortbar gross.
Die Verantwortlichen bei Bund und Kanton sahen keine Möglichkeit mehr, das Verhalten des Bären noch zu beeinflussen. Damit wurde er gemäss Konzept Bär Schweiz zum ,Risikobär", der erlegt werden musste. Das Konzept sieht vor, dass ein Bär entfernt werden soll, der die Scheu vor Menschen verloren hat, sich wiederholt in geschlossenes Siedlungsgebiet begibt und trotz wiederholter Vergrämungen seine Scheu vor Menschen nicht vergrössert.
JJ3 wurde am Abend des 14. Aprils 2008 im Raum Mittelbünden abgeschossen. Der Kadaver wird im Kanton Graubünden untersucht und anschliessend präpariert.
Die verantwortlichen Behörden hatten im Herbst 2007 sowie im Frühling 2008 während mehrerer Wochen versucht, dem Bären mehr Scheu einzuflössen. Sie beschossen ihn in so genannten Vergrämungsaktionen etliche Male mit Gummischrot und Knallpetarden und versuchten ihn mit allen Mitteln aus den Dörfern zu vertreiben (siehe Beilage Berichte ,Bären im Kanton Graubünden 2007/2008"). Ziel der Vergrämungen war, das Verhalten von JJ3 so zu ändern, dass er wieder scheuer wird und den Menschen und Siedlungen zu meiden lernt. Die Massnahmen, zuletzt Anfang April, waren aber vergeblich, JJ3 konnte nicht von seinem Verhalten abgebracht werden.
Die verantwortlichen Behörden gehen davon aus, dass JJ3 das problematische Verhalten von seiner Mutter Jurka gelernt hat. Jurka wurde wegen ihrer fehlenden Scheu vor einiger Zeit in Italien eingefangen und lebt seither in einem Gehege. Auch ihre anderen Nachkommen, JJ2 ,Lumpaz" (erster Bär, der nach über 100 Jahren in die Schweiz einwanderte; seit 2005 verschollen) und JJ1 ,Bruno" (2006 in Bayern abgeschossen), zeigten dasselbe problematische Verhalten. JJ3 war seit seinem Erscheinen in der Schweiz auffällig und wurde deshalb bereits im August 2007 eingefangen und mit einem Halsbandsender versehen. So konnten seine Wanderungen überwacht und die Vergrämungsaktionen besser geplant werden.
Vor dem Entscheid zum Entfernen des Bären haben Gespräche mit den italienischen Behörden stattgefunden. Die italienischen Vertreter zeigten Verständnis für die Situation der Schweiz. Die verantwortlichen Behörden beider Länder kamen zum Schluss, dass der Einfang und die Haltung von JJ3 in einem Gehege keine Optionen sind. Aus tierethischer Sicht ist es fragwürdig, einen wilden Bären in einem Gehege einzusperren, denn er könnte darin kaum artgerecht gehalten werden. Konsequenterweise sieht deshalb das Konzept Bär Schweiz für einen Risikobären den Abschuss vor.
Im Kanton Graubünden ist seit 2007 im Gebiet Engadin, Münstertal, Nationalpark ein zweiter Bär unterwegs, MJ4. Dieser ist scheu und verursacht nur ab und zu einen Schaden. Die Erfahrungen mit ihm zeigen, dass in der Schweiz durchaus Lebensraum für Bären besteht. Allerdings muss der Umgang mit organischem Müll in Regionen mit dauernder Bärenpräsenz mittelfristig angepasst werden. Der Kanton Graubünden will sich dafür engagieren, dass ,bärensichere" Abfallsysteme eingeführt werden, damit Bären möglichst von Siedlungen ferngehalten werden können.
Im Umgang mit den einwandernden Bären stehen die Behörden in einem Zielkonflikt zwischen Bären-Individuum und Bären-Population. Um der ganzen Population die Chance zu schaffen, in der Schweiz Lebensraum zu finden, muss unter Umständen ein Individuum, das zum Risiko wird, entfernt werden.
Die zuständige Interkantonale Kommission der betroffenen Region (IKK) beurteilt die Situation fachlich aufgrund des Konzepts Bär Schweiz. Im aktuellen Fall besteht die IKK aus dem Jagdverwalter des Kantons GR und dem Sektionschef Jagd, Wildtiere und Waldbiodiversität des Bundesamts für Umwelt BAFU. Die IKK gibt gegenüber dem zuständigen Regierungsrat des betroffenen Kantons eine Empfehlung ab. Dieser entscheidet dann politisch und gemäss der Bundesgesetzgebung abschliessend darüber, ob eine Abschussbewilligung ausgestellt wird oder nicht."
Quelle: Bundesverwaltung Schweiz
Dr. Balfanz
08.12.2008, 18:13
Das EU-Umweltschutzprojekt ECONNECT
Das EU-Projekt ECONNECT ist das größte derzeit laufende internationale Forschungsprojekt zur Verbesserung der ökologischen Vernetzungen in den Alpen mit einem Budget von 3,2 Mio. Euro.
16 Projektpartner aus der EU (Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien und Slowenien) und außerhalb der EU (Schweiz und Liechtenstein) arbeiten daran gemeinsam in den kommenden drei Jahren. Das Projekt wird von Österreich aus koordiniert, und zwar durch Univ.Prof. Dr. Chris Walzer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die weiteren Partner aus Österreich sind das Institut für Ökologie der Universität Innsbruck, das Umweltbundesamt, der Nationalpark Gesäuse und der Nationalpark Hohe Tauern.
Die Alpen sind die wohl am intensivsten ausgebeuteten Gebirgszüge Europas, gleichzeitig beherbergen sie aber auch einen von Europas größten Pools an Biodiversität: Mit über 30.000 Tier- und 13.000 verschiedenen Pflanzenarten ist die biologische Vielfalt in den Alpen von unschätzbarem Wert. Damit diese vielfältige Tier- und Pflanzenwelt aufrecht erhalten werden kann, müssen die Tiere und Pflanzen die Möglichkeit haben zwischen verschiedenen Habitaten zu wandern – besonders in Zeiten des Klimawandels. Doch wir Menschen hindern sie daran durch die von uns gezogenen Barrieren: dicht besiedelte Gebiete, Autobahnen und Eisenbahntrassen, Flussverbauungen und Kraftwerke. Politische Grenzen bedeuten unterschiedliche Regeln im Naturschutz; grenzüberschreitender Schutz des alpinen Raumes ist noch immer nicht umsetzbar.
Als Ergebnis des Projektes sollen primär ökologische Verbindungen im alpinen Raum verstärkt werden. In die Gesamtbetrachtung kommen nicht nur bereits geschützte Zonen (z.B. Nationalparks), sondern ebenso Landstriche und Landschaftskorridore mit hoher Biodiversität als Verbindungselemente. Ein Netzwerk alpiner Ökosysteme über Landesgrenzen hinaus soll da wieder entstehen, wo der Mensch Barrieren und Grenzen gesetzt hat.
Ein Beispiel für die Problematik von zerteilten Lebensräumen ist ein in Österreich heimischer Braunbär, den man im Zuge des Wiederansiedlungsprojektes den Namen Moritz gegeben hat. Das schildert Chris Walzer so: „Bären leben auf großen Fuß und beanspruchen große Streifgebiete. Moritz, sieben Jahre alt, wurde im Mariazellerland geboren, hat als Zweijähriger zu wandern begonnen und lebt derzeit im Salzkammergut, 100 km von seinem Aufzuchtsgebiet entfernt. Wollte Moritz weiter wandern, müsste er bald das Salzachtal mit Autobahn, Eisenbahn und Bundesstraße überwinden. Nicht dass das für ihn unmöglich wäre, aber riskant. In Slowenien werden jährlich etwa 20 Bären von Autos und Zügen überfahren. Eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur ist essentiell für das Funktionieren der Wirtschaft, wir können also nicht darauf verzichten. Wir können uns aber bemühen, diese Barrieren durchlässiger zu gestalten. Das wollen wir mit unserem Projekt erreichen.“
Insgesamt 16 Projektpartner (5 aus Österreich, 5 aus Italien, 3 aus Frankreich, 1 aus Deutschland, 1 von Liechtenstein sowie 1 aus der Schweiz) haben sich zusammengeschlossen, um im Rahmen des EU-Programms „Alpine Space“ dieses Projekt umzusetzen. Dazu zählen internationale Dachverbände, wissenschaftliche Einrichtungen und Partnerinstitution, die im Sinne der Alpenkonvention agieren und diese auch lokal implementieren.
Um legale und administrative Einschränkungen zu überwinden, werden von den Projektpartnern Empfehlungsrichtlinien entwickelt, welche eine effektive, grenzüberschreitende Kooperation und eine verfahrensorientierte, internationale Harmonisierung ermöglichen sollen. Der Wissenstransfer ist durch das weit verzweigte Partnersystem und durch den strategischen Nutzen des Netzwerkes garantiert.
Quelle: fiwi.at
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