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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bedrohter Schatz im Stall



Bushcamper
24.09.2007, 21:32
In den Ställen weltweit kann man Schätze von unermesslichem Wert finden. Es handelt sich hierbei nicht um Gold, Silber und Edelsteine, sondern um Rinder, Schweine, Hühner und andere Nutztiere. Viele von ihnen gehören zu seltenen Rassen, deren Bestände in erschreckendem Ausmaß dahinschwinden. Sie werden von Nutztieren verdrängt, die höhere Erträge verheißen, in ihrer neuen Umgebung aber nach einiger Zeit manchmal auch Nachteile offenbaren.

Infolge der Globalisierung in der Landwirtschaft droht jedenfalls ein genetischer Aderlass mit unabsehbaren Folgen für die Tierzucht. Das zeigt ein von der Welternährungsorganisation FAO verfasster Bericht über den Zustand der Tierressourcen, der auf einer derzeit in Interlaken (Schweiz) stattfindenden Tagung von Agrarexperten vorgelegt wurde.


Rasanter Schwund an Schweinerassen

Für den Bericht wurden Nutztiere in 169 Ländern erfasst. Durch zu starke Abhängigkeit von wenigen Hochleistungsrassen, etwa den für ihre hohe Milchproduktion bekannten Holstein-Friesian-Kühen und den als fleißige Eierlegerinnen geschätzten Weißen Leghorn-Hühnern, gehe durchschnittlich jeden Monat eine einheimische Rasse verloren, heißt es darin.

Wie rasch der Schwund vonstattengehen könne, zeige das Beispiel von Nordvietnam. Den Angaben zufolge stellten im Jahr 1994 lokale Rassen noch zweiundsiebzig Prozent der Schweinepopulation. In nur acht Jahren fiel dieser Anteil auf sechsundzwanzig Prozent. Von den vierzehn lokalen Schweinerassen des Landes sind jetzt fünf gefährdet, zwei haben eine kritische Zahl erreicht und drei gelten als vom Aussterben bedroht.


Austausch von Tieren über Landesgrenzen hinweg

Wissen sich gegen importierte Rassen nicht zu wehren: Ankole-Rinder
Die schwarzbunten Holstein-Friesian-Rinder waren in 128 Ländern weltweit zu finden. Viele der weniger bekannten Rinderrassen geraten durch sie in Bedrängnis. Sie verschwinden mit alarmierender Geschwindigkeit, sagte Carlos Seré, der Generaldirektor des in Nairobi ansässigen International Livestock Research Institute (ILRI). Man müsse jetzt handeln, um das, was noch vorhanden sei, in Genbanken zu retten. Insbesondere in Afrika sei dies dringend erforderlich. Denn anders als in den Vereinigten Staaten sowie in Europa, China, Indien und Südamerika mangele es auf dem Schwarzen Kontinent an Genbanken zur Erhaltung der regionalen Nutztier-Diversität. Es gelte, Samen- und Eizellen sowie Embryonen der Tiere einzulagern.


Genbanken sind für Seré freilich nur eine von mehreren Strategien. Auch die Erhaltung der genetischen Vielfalt im Stall müsse gefördert werden. Es gelte, Anreize für die Bauern in armen Ländern zu schaffen, vermehrt wieder einheimische Rassen zu halten. Außerdem müsse der Austausch solcher Tiere über Landesgrenzen hinweg erleichtert werden. Eine weitere Maßnahme bestehe darin, genomische Daten mit geographischen Fakten zu kombinieren, so dass Aussagen darüber getroffen werden könnten, welche Rassen für welche Umwelt- und Standortbedingungen am besten geeignet seien.

Kuri-Rind vom Aussterben bedroht
Dürfte in 15 Jahren verschwunden sein: Das Red-Masai-Schaf
Zu den rar gewordenen Rinderrassen Afrikas zählt das Sheko-Rind. Von ihm gibt es schätzungsweise noch 2400 Exemplare. Diese mit den N'Dama-Rindern verwandten Tiere finden sich nur noch im Südwesten Äthiopiens. So gesehen steht es um eine andere Rasse, das Kuri-Rind, verhältnismäßig gut. Die wegen ihrer dicken Hörner auffallenden Tiere werden besonders im Gebiet des Tschadsees gehalten. Ihre Zahl - gegenwärtig noch etwa 10.000 - sinkt rasch, so dass sie zu den vom Aussterben bedrohten Rassen gerechnet werden.

Dieses Schicksal könnte auch das Ankole-Rind innerhalb von fünfzig Jahren ereilen. Zwar werden die Bestände in den fünf afrikanischen Ländern, in denen diese Tiere verbreitet sind, auf 3,2 Millionen Exemplare geschätzt. Importierte Rassen stellen aber eine wachsende Konkurrenz dar.


Europäische Schweinerassen gewannen die Oberhand

Gemessen an der gegenwärtigen Entwicklung, ist die Ausbreitung neuer Nutztierrassen früher geradezu im Schneckentempo erfolgt. Eine internationale Forschergruppe um Greger Larson aus Oxford hat jetzt anhand von molekulargenetischen Daten untersucht, wie das Schwein in Europa domestiziert wurde. Wie aus ihrem Bericht in den „Proceedings“ der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften (Early Edition) hervorgeht, wurden aus dem Nahen Osten stammende Züchtungen während der Jungsteinzeit eingeführt.


Mindestens schon 4000 vor Christus gab es solche Tiere im Pariser Becken. Die europäischen Bauern fühlten sich dadurch offenbar herausgefordert und gingen ihrerseits dazu über, heimische Wildschweine zu zähmen. Die daraus hervorgegangenen Rassen gewannen dann nach und nach die Oberhand.

Quelle: faz.net