Bushcamper
24.09.2007, 21:28
Einen Lauschangriff auf die Natur unternahm der amerikanische Künstler Bill Fontana im Jahr 1990. Damals installierte er 16 Mikrophone in einem Umkreis von 300 Metern in der Stopfenreuther Au nahe Hainburg. Im Wasser, bei den quakenden Fröschen, waren die Mikrophone ebenso platziert wie in den Baumkronen, wo sich zahllose Vogelarten lautstark verständigten.
Die Mikrophone waren mit Telefonleitungen verbunden, die sämtliche Klänge live in die Wiener Innenstadt übertrugen. Am Maria-Theresienplatz, zwischen dem Kunsthistorischen und dem Naturhistorischen Museum, schallte das Quaken, Zwitschern und Plätschern aus über 70 strategisch platzierten Lautsprechern. "Landscape Sounding - Klanglandschaften" hieß das außergewöhnliche Projekt, das Bill Fontana in Kooperation mit den Wiener Festwochen und dem Österreich1 Kunstradio umsetzte.
"Schon damals", sagt Bill Fontana heute, 17 Jahre später, "hat mich der Aspekt der Überwachung sehr interessiert."
Intimität der Natur
"Ich hatte zur Vorbereitung des Projektes mehrere Tage in den Donauauen verbracht, um Probeaufnahmen zu machen. Doch die wirklich interessanten Klänge konnte ich nicht aufzeichnen, denn die entsprechenden Vögel wahrten einen Sicherheitsabstand zu mir, dem menschlichen Eindringling." Erst als die Mikrophone in den Bäumen befestigt waren, also Teil des Waldes wurden und die Vögel wieder "unter sich" waren, gelang es, das Klangspektrum der Au in seiner ganzen Reichhaltigkeit einzufangen.
Radio als öffentlicher Raum
Über einen Zeitraum von 14 Tagen wurden die Sounds live übertragen. Die klangliche Dramaturgie folgte der tageszeitbedingten Aktivität der Waldbewohner. Auch das Radio - laut Bill Fontana eine Erweiterung des öffentlichen Raumes - wurde zum Austragungsort von "Landscape Soundings". Regelmäßig wurden kurze Einspielungen der Au-Klänge gebracht, und für Kunstradio mischte Fontana eigene Radioversionen. Der Klang der Natur war überall - und das zur Freude der meisten Stadtbewohner.
Eine Beschwerde ist Fontana dennoch in Erinnerung geblieben: "Eine Dame, die in unmittelbarer Nähe des Maria-Theresienplatzes wohnte, hatte sich des öfteren über die Soundinstallation beschwert - sie war eine absolute Vogelhasserin und konnte die permanente Beschallung nicht aushalten. Deshalb verbarrikadierte sie sich in ihren vier Wänden, sie schloss die Fensterläden und drehte laut das Radio auf. Dass dann selbst im Radio der Vogelgesang zu hören war, hatte einige Beschwerden an höchste Stellen zur Folge". Dies blieb jedoch eine Ausnahme - "Landscape Soundings" war ein temporäres Kunstwerk, das sich in das Gedächtnis der Stadt eingeschrieben hat.
Exotisches vom Schlossberg
Weit weniger positiv wurde Bill Fontanas erste Installation in Österreich aufgenommen. 1988 entwickelte er für die Grazer Ausstellung "Bezugspunkte 38/88" die Klangskulptur "Sonic Projections from Schlossberg Graz".
An acht Stellen in der Innenstadt, die in der nationalsozialistischen Machergreifung eine Rolle gespielt hatten, installierte er Mikrophone. Die Klanglandschaft der Stadt wurde mit "importieren" Klängen infiltriert. Fontana: "Ich wollte die Stadt mit angenehmen, schönen Klängen auffüllen: das Zwitschern exotischer Vögel oder das Läuten der Glocken eines buddhistischen Tempels. Dass die fremden Klänge als derart störend empfunden wurden, obgleich sie in geringer Lautstärke gespielt wurden, war nicht beabsichtigt." - doch sagt die vehemente Ablehnung des Kunstwerkes einiges über das Geschichtsverständnis der Österreicher aus.
Erinnerung zum Hören
Für die diesjährige Ars Electronica in Linz hat Bill Fontana die 1990 im Zuge von "Landscape Soundings" gemachten Aufnahmen erstmals wieder aus seinem Archiv geholt. Hunderte Stunden Audiomaterial hörte er durch, und die Aufnahmen übten eine unerwartete Faszination aus. Mithilfe digitaler Soundbearbeitung mischte er das Material zu einer neuen Klangskulptur, die nun im Donaupark vor dem Brucknerhaus zu erleben ist.
"Die Beschäftigung mit den alten Aufnahmen hat mir große Freude gemacht. Ich habe mit dem Material herumgespielt und einige neue Aspekte hervorgekehrt. So kommt es etwa zu einer Korrespondenz zwischen zwei Kuckucks, die miteinander kommunizieren." Ob die akustischen Aufnahmen der unberührten Aulandschaft auch zeithistorischen Charakter haben?
"Es wäre interessant", so Bill Fontana, "heute neuerdings Aufnahmen zu machen und Vergleiche anzustellen. Mich interessiert jedoch allein der Aspekt des Klanges. Dieser unterliegt natürlich populations- und wetterbedingten Schwankungen des Vogelbestandes." Aber das zu analysieren ist wohl für Ornithologen interessanter als für Bill Fontana, den Künstler.
Quelle: orf.at
Die Mikrophone waren mit Telefonleitungen verbunden, die sämtliche Klänge live in die Wiener Innenstadt übertrugen. Am Maria-Theresienplatz, zwischen dem Kunsthistorischen und dem Naturhistorischen Museum, schallte das Quaken, Zwitschern und Plätschern aus über 70 strategisch platzierten Lautsprechern. "Landscape Sounding - Klanglandschaften" hieß das außergewöhnliche Projekt, das Bill Fontana in Kooperation mit den Wiener Festwochen und dem Österreich1 Kunstradio umsetzte.
"Schon damals", sagt Bill Fontana heute, 17 Jahre später, "hat mich der Aspekt der Überwachung sehr interessiert."
Intimität der Natur
"Ich hatte zur Vorbereitung des Projektes mehrere Tage in den Donauauen verbracht, um Probeaufnahmen zu machen. Doch die wirklich interessanten Klänge konnte ich nicht aufzeichnen, denn die entsprechenden Vögel wahrten einen Sicherheitsabstand zu mir, dem menschlichen Eindringling." Erst als die Mikrophone in den Bäumen befestigt waren, also Teil des Waldes wurden und die Vögel wieder "unter sich" waren, gelang es, das Klangspektrum der Au in seiner ganzen Reichhaltigkeit einzufangen.
Radio als öffentlicher Raum
Über einen Zeitraum von 14 Tagen wurden die Sounds live übertragen. Die klangliche Dramaturgie folgte der tageszeitbedingten Aktivität der Waldbewohner. Auch das Radio - laut Bill Fontana eine Erweiterung des öffentlichen Raumes - wurde zum Austragungsort von "Landscape Soundings". Regelmäßig wurden kurze Einspielungen der Au-Klänge gebracht, und für Kunstradio mischte Fontana eigene Radioversionen. Der Klang der Natur war überall - und das zur Freude der meisten Stadtbewohner.
Eine Beschwerde ist Fontana dennoch in Erinnerung geblieben: "Eine Dame, die in unmittelbarer Nähe des Maria-Theresienplatzes wohnte, hatte sich des öfteren über die Soundinstallation beschwert - sie war eine absolute Vogelhasserin und konnte die permanente Beschallung nicht aushalten. Deshalb verbarrikadierte sie sich in ihren vier Wänden, sie schloss die Fensterläden und drehte laut das Radio auf. Dass dann selbst im Radio der Vogelgesang zu hören war, hatte einige Beschwerden an höchste Stellen zur Folge". Dies blieb jedoch eine Ausnahme - "Landscape Soundings" war ein temporäres Kunstwerk, das sich in das Gedächtnis der Stadt eingeschrieben hat.
Exotisches vom Schlossberg
Weit weniger positiv wurde Bill Fontanas erste Installation in Österreich aufgenommen. 1988 entwickelte er für die Grazer Ausstellung "Bezugspunkte 38/88" die Klangskulptur "Sonic Projections from Schlossberg Graz".
An acht Stellen in der Innenstadt, die in der nationalsozialistischen Machergreifung eine Rolle gespielt hatten, installierte er Mikrophone. Die Klanglandschaft der Stadt wurde mit "importieren" Klängen infiltriert. Fontana: "Ich wollte die Stadt mit angenehmen, schönen Klängen auffüllen: das Zwitschern exotischer Vögel oder das Läuten der Glocken eines buddhistischen Tempels. Dass die fremden Klänge als derart störend empfunden wurden, obgleich sie in geringer Lautstärke gespielt wurden, war nicht beabsichtigt." - doch sagt die vehemente Ablehnung des Kunstwerkes einiges über das Geschichtsverständnis der Österreicher aus.
Erinnerung zum Hören
Für die diesjährige Ars Electronica in Linz hat Bill Fontana die 1990 im Zuge von "Landscape Soundings" gemachten Aufnahmen erstmals wieder aus seinem Archiv geholt. Hunderte Stunden Audiomaterial hörte er durch, und die Aufnahmen übten eine unerwartete Faszination aus. Mithilfe digitaler Soundbearbeitung mischte er das Material zu einer neuen Klangskulptur, die nun im Donaupark vor dem Brucknerhaus zu erleben ist.
"Die Beschäftigung mit den alten Aufnahmen hat mir große Freude gemacht. Ich habe mit dem Material herumgespielt und einige neue Aspekte hervorgekehrt. So kommt es etwa zu einer Korrespondenz zwischen zwei Kuckucks, die miteinander kommunizieren." Ob die akustischen Aufnahmen der unberührten Aulandschaft auch zeithistorischen Charakter haben?
"Es wäre interessant", so Bill Fontana, "heute neuerdings Aufnahmen zu machen und Vergleiche anzustellen. Mich interessiert jedoch allein der Aspekt des Klanges. Dieser unterliegt natürlich populations- und wetterbedingten Schwankungen des Vogelbestandes." Aber das zu analysieren ist wohl für Ornithologen interessanter als für Bill Fontana, den Künstler.
Quelle: orf.at