Bushcamper
19.02.2007, 17:03
Nachrichten aus der Wasserwelt "Ich zitiere Leute, die sagen: In fünf Jahren essen wir alle Quallensandwich", so Richard Ellis. "Und da sich nichts zum Besseren verändert, werden wir auch in fünf Jahren Quallensandwich essen."
Diese Behauptung ist keine Schwarzmalerei. Richard Ellis studiert die Ozeane seit Jahrzehnten. Die traurige Bilanz zu Beginn des 21. Jahrhunderts: 90 Prozent der Großfische - also Rochen, Hai, Kabeljau, Thun- sowie Schwertfisch - sind aus den Meeren verschwunden. Warnungen bereits in den 1960ern
In seinem Buch "Der lebendige Ozean" - im Original treffender "The Empty Ocean" betitelt - beschreibt Richard Ellis systematisch die traurige Lage von verschiedenen Fischen, sowie von Meeressäugern wie Walen und Robben. Wie aus seinen historischen Exkursen in die 1960er und 1970er Jahre hervorgeht, wussten Wissenschaftler über die Bedrohung der Meerestiere schon lange Bescheid. Sie warnten auch davor, doch stießen sie auf wenig Interesse.
Das Paradebeispiel, wie ein Fisch bis an den Rand des Aussterbens dezimiert werden kann, ist der Kabeljau. Die Kabeljaufischerei reicht Jahrhunderte zurück. Ein portugiesischer Seefahrer etwa suchte im Atlantik die "Insel der sieben Städte" und erzählte nachher von seinen Beobachtungen.
1542 entdeckte er dabei die Azoreninseln Flores und Corvo, und schließlich führten ihn seine Irrfahrten an die Küste Neufundlands. Bei seiner Rückkehr hatte er zwar die legendäre Insel nicht gesichtet, aber er konnte von sagenhaften Kabeljauschwärmen berichten. Die Basken waren zu dieser Zeit bereits seit mehr als einem Jahrhundert damit beschäftigt, den Kabeljau vor der eigenen Haustür zu fangen, zu trocknen und zu salzen. Kein Kabeljau mehr
Kabeljau sicherte auch das Überleben der ersten Einwanderer in die Neue Welt. Dass es einmal mit dem Kabeljau zu Ende gehen könnte, hätte sich - so der Autor - niemand träumen lassen: "In den 1950er Jahre begannen Wissenschaftler Fischer zu warnen. Es fiel ihnen auf, dass die Fische immer kleiner wurden. Doch die Fischer sagten, das habe nichts zu bedeuten, die großen seien nach wie vor draußen im Meer. Aber das stimmt natürlich nicht. Man fängt deshalb keine großen, weil es sie nicht mehr gibt."
Die USA und Kanada haben die Kabeljaufischerei eingestellt. In Europa, so Richard Ellis, werde es auch bald so weit sein. Der Autor beschreibt die weiteren Folgen des Überfischens: "Worum es wirklich geht, ist das komplizierte Verhältnis von Raubtier und Beute in den Ozeanen. Der Kabeljau ist ein großer Raubfisch. Wenn man in der Nahrungskette eine Stufe eliminiert, dann wird diese nicht von etwas anderem besetzt. Was stattdessen passiert ist, dass die Fische auf der nächsten Stufe darunter sich vermehren. Und diese eliminieren die nächste Stufe darunter. Das ganze Gleichgewicht kommt durcheinander." Alles zerstörende Grundschleppnetze
Technologische Fortschritte im Fischfang trugen wesentlich zum Überfischen bei. Fabriksschiffe sind wahre Tötungsmaschinerien. Richard Ellis beschreibt eine Fangmethode, die ihm besonders zuwider ist "Am zerstörerischsten ist das Fischen mit Grundschleppnetzen. Das sind riesige Netze, die man mit einem Gewicht beschwert. Sie schleifen über den Meeresboden wie ein Bulldozer. Auf diese Weise fängt man Grundfische und zerstört damit gleichzeitig den Boden. Alles was lebt, wird umgebracht." Nächstes Opfer: der Thunfisch
Der nächste Raubfisch, dem es nun nach dem Kabeljau an den Kragen geht, ist der Thunfisch. Das gilt vor allem für den begehrten Blauflossen-Thunfisch. Nicht nur der Appetit der Japaner auf Sashimi ist ein wesentlicher Motor in der Nachfrage nach Thunfisch. Ein zweiter Faktor ist das Gesundheitsbewusstsein in den Industrieländern. In diesen steigt die Nachfrage nach Fisch, der Omega-drei-Fettsäuren enthält.
Ein nach Australien ausgewanderter Kroate entwickelte eine Idee, wie die Nachfrage nach schweren Thunfischen verlässlich zu befriedigen ist: Man fängt Jungfische, hält sie in Bassins und mästet sie, bis sie schlachtreif sind: "Das war eine gute Idee. Sie war so gut, dass jedes Mittelmeerland sie nachahmte. Es ist bei allen Ressourcen der Natur so: Wenn Menschen sie hemmungslos ausbeuten können, tun sie es auch. Und natürlich gingen ihnen mit der Zeit die Fische aus."
Bei dieser Methode der Fischmast haben die Betreiber nämlich eines nicht bedacht: Wenn man laufend Jungfische fängt, mästet und schlachtet, ehe sie geschlechtsreif sind, produzieren sie keinen Nachwuchs. Zucht birgt Krankheitsgefahr
Eine mögliche Antwort auf das Dilemma eines künftig leeren Ozeans hat Richard Ellis nun in der Fischzucht gefunden. In seinem 2003 in den USA erschienen Buch hat er etwa die Lachszucht noch verdammt. Einer seiner Kritikpunkte: die Gefahr von Krankheiten für die Zucht, sowie die wilden Lachse. "Erst kürzlich ist wieder ein Riesenproblem bekannt geworden", erzählt er. "Ein Schwarm von wildem, pazifischen Lachs ist an einem Zuchtbetrieb vorbeigeschwommen. In den Bassins waren Meerläuse, die für Lachse gefährliche Infektionskrankheiten übertragen. Die wilden Lachse wurden beim Vorbeischwimmen angesteckt. 95 Prozent starben."
Richard Ellis meint, dass mit wissenschaftlichem Erfindungsgeist die Gefahr vor Krankheiten gebannt werden könne. Die Lachszucht ermöglicht fraglos das Weiterbestehen der Wildlachse. Ähnliches erhofft sich der Autor für Thunfische. In Labors in Japan, Griechenland und Australien stehen Forscher knapp davor, erstmals Thunfische aus Eiern zu züchten.
Text: Madeleine Amberger
Quelle: oe1.orf.at
Diese Behauptung ist keine Schwarzmalerei. Richard Ellis studiert die Ozeane seit Jahrzehnten. Die traurige Bilanz zu Beginn des 21. Jahrhunderts: 90 Prozent der Großfische - also Rochen, Hai, Kabeljau, Thun- sowie Schwertfisch - sind aus den Meeren verschwunden. Warnungen bereits in den 1960ern
In seinem Buch "Der lebendige Ozean" - im Original treffender "The Empty Ocean" betitelt - beschreibt Richard Ellis systematisch die traurige Lage von verschiedenen Fischen, sowie von Meeressäugern wie Walen und Robben. Wie aus seinen historischen Exkursen in die 1960er und 1970er Jahre hervorgeht, wussten Wissenschaftler über die Bedrohung der Meerestiere schon lange Bescheid. Sie warnten auch davor, doch stießen sie auf wenig Interesse.
Das Paradebeispiel, wie ein Fisch bis an den Rand des Aussterbens dezimiert werden kann, ist der Kabeljau. Die Kabeljaufischerei reicht Jahrhunderte zurück. Ein portugiesischer Seefahrer etwa suchte im Atlantik die "Insel der sieben Städte" und erzählte nachher von seinen Beobachtungen.
1542 entdeckte er dabei die Azoreninseln Flores und Corvo, und schließlich führten ihn seine Irrfahrten an die Küste Neufundlands. Bei seiner Rückkehr hatte er zwar die legendäre Insel nicht gesichtet, aber er konnte von sagenhaften Kabeljauschwärmen berichten. Die Basken waren zu dieser Zeit bereits seit mehr als einem Jahrhundert damit beschäftigt, den Kabeljau vor der eigenen Haustür zu fangen, zu trocknen und zu salzen. Kein Kabeljau mehr
Kabeljau sicherte auch das Überleben der ersten Einwanderer in die Neue Welt. Dass es einmal mit dem Kabeljau zu Ende gehen könnte, hätte sich - so der Autor - niemand träumen lassen: "In den 1950er Jahre begannen Wissenschaftler Fischer zu warnen. Es fiel ihnen auf, dass die Fische immer kleiner wurden. Doch die Fischer sagten, das habe nichts zu bedeuten, die großen seien nach wie vor draußen im Meer. Aber das stimmt natürlich nicht. Man fängt deshalb keine großen, weil es sie nicht mehr gibt."
Die USA und Kanada haben die Kabeljaufischerei eingestellt. In Europa, so Richard Ellis, werde es auch bald so weit sein. Der Autor beschreibt die weiteren Folgen des Überfischens: "Worum es wirklich geht, ist das komplizierte Verhältnis von Raubtier und Beute in den Ozeanen. Der Kabeljau ist ein großer Raubfisch. Wenn man in der Nahrungskette eine Stufe eliminiert, dann wird diese nicht von etwas anderem besetzt. Was stattdessen passiert ist, dass die Fische auf der nächsten Stufe darunter sich vermehren. Und diese eliminieren die nächste Stufe darunter. Das ganze Gleichgewicht kommt durcheinander." Alles zerstörende Grundschleppnetze
Technologische Fortschritte im Fischfang trugen wesentlich zum Überfischen bei. Fabriksschiffe sind wahre Tötungsmaschinerien. Richard Ellis beschreibt eine Fangmethode, die ihm besonders zuwider ist "Am zerstörerischsten ist das Fischen mit Grundschleppnetzen. Das sind riesige Netze, die man mit einem Gewicht beschwert. Sie schleifen über den Meeresboden wie ein Bulldozer. Auf diese Weise fängt man Grundfische und zerstört damit gleichzeitig den Boden. Alles was lebt, wird umgebracht." Nächstes Opfer: der Thunfisch
Der nächste Raubfisch, dem es nun nach dem Kabeljau an den Kragen geht, ist der Thunfisch. Das gilt vor allem für den begehrten Blauflossen-Thunfisch. Nicht nur der Appetit der Japaner auf Sashimi ist ein wesentlicher Motor in der Nachfrage nach Thunfisch. Ein zweiter Faktor ist das Gesundheitsbewusstsein in den Industrieländern. In diesen steigt die Nachfrage nach Fisch, der Omega-drei-Fettsäuren enthält.
Ein nach Australien ausgewanderter Kroate entwickelte eine Idee, wie die Nachfrage nach schweren Thunfischen verlässlich zu befriedigen ist: Man fängt Jungfische, hält sie in Bassins und mästet sie, bis sie schlachtreif sind: "Das war eine gute Idee. Sie war so gut, dass jedes Mittelmeerland sie nachahmte. Es ist bei allen Ressourcen der Natur so: Wenn Menschen sie hemmungslos ausbeuten können, tun sie es auch. Und natürlich gingen ihnen mit der Zeit die Fische aus."
Bei dieser Methode der Fischmast haben die Betreiber nämlich eines nicht bedacht: Wenn man laufend Jungfische fängt, mästet und schlachtet, ehe sie geschlechtsreif sind, produzieren sie keinen Nachwuchs. Zucht birgt Krankheitsgefahr
Eine mögliche Antwort auf das Dilemma eines künftig leeren Ozeans hat Richard Ellis nun in der Fischzucht gefunden. In seinem 2003 in den USA erschienen Buch hat er etwa die Lachszucht noch verdammt. Einer seiner Kritikpunkte: die Gefahr von Krankheiten für die Zucht, sowie die wilden Lachse. "Erst kürzlich ist wieder ein Riesenproblem bekannt geworden", erzählt er. "Ein Schwarm von wildem, pazifischen Lachs ist an einem Zuchtbetrieb vorbeigeschwommen. In den Bassins waren Meerläuse, die für Lachse gefährliche Infektionskrankheiten übertragen. Die wilden Lachse wurden beim Vorbeischwimmen angesteckt. 95 Prozent starben."
Richard Ellis meint, dass mit wissenschaftlichem Erfindungsgeist die Gefahr vor Krankheiten gebannt werden könne. Die Lachszucht ermöglicht fraglos das Weiterbestehen der Wildlachse. Ähnliches erhofft sich der Autor für Thunfische. In Labors in Japan, Griechenland und Australien stehen Forscher knapp davor, erstmals Thunfische aus Eiern zu züchten.
Text: Madeleine Amberger
Quelle: oe1.orf.at