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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Per Hundeschlitten in die Eiszeit



Bushcamper
11.12.2006, 10:25
Grönland ist eine weiße Welt für sich. Am besten lässt sie sich mit dem Hundeschlitten entdecken. Allerdings sollte man einen erfahrenen Inuk an seiner Seite haben. Und man sollte wissen, wo man ein ordentliches Walfleisch-Steak bekommt. Dann ist kein Weg im ewigen Eis zu lang.


50 Hunde auf dem Startplatz des härtesten Langlauf-Rennens der Welt, und keiner davon bellt. Grönländische Schlittenhunde sind eine eigene Spezies - ruhig und beherrscht, und wenn sie wirklich mal Töne von sich geben, dann ein lang gezogenes Jaulen, das eher an Wölfe als an Hunde erinnert. So wie in Deutschland viele Familien ein Auto vor dem Haus stehen haben, so selbstverständlich halten sich viele grönländische Familien ihre Schlittenhunde.


Grönland: Weiß, soweit das Auge blickt
Etwa der 52-jährige Julias Jeremiasson. Bis vor gut zwei Jahren fuhr der Grönländer mit seinen Hunden lediglich auf die Jagd oder zum Fischen, doch nun bietet er auch Hundeschlittenfahrten für Touristen an. Mit der Verständigung freilich ist es schwierig, denn der 52-jährige Inuk, der beleidigt ist, wenn man ihn einen Eskimo nennt, spricht nur Grönländisch. Selbst des Dänischen, das in Grönland als zweite Sprache an allen Schulen gelehrt wird, ist er nicht mächtig.

Dafür beherrscht er eine andere Kunst: Er kann die gelben, grünen und blauen Leinen, mit denen seine zwölf Schlittenhunde an seinem Holzschlitten, auf dem gut und gerne drei Personen Platz finden, befestigt sind, scheinbar mühelos sortieren und entwirren. Hat sich doch mal ein Hund verheddert, befreit ihn Jeremiasson meist sogar während der Fahrt. Dazu zieht er sämtliche Hunde, die aufgefächert vor den Schlitten gespannt sind, ein Stück an den Holzschlitten heran, bevor er das jeweilige Tier aus der Gruppe herausholt.

Die Peitsche kommt nur selten zum Einsatz
Schon wenige Minuten, nachdem Jeremiasson mit seinem Gespann die Stadt Sisimiut verlassen haben, scheint die Zivilisation vergessen. Statt Holz- und Steinhäusern, darunter auch etliche recht unansehnliche Plattenbauten, sind nur noch schneebedeckte Hänge zu sehen. Die Hundeschlittenspur zieht sich durch das unbewohnte Nivarfik-Tal, in dem sich nur erahnen lässt, ob sich unter der Eisschicht eine Wiese oder ein kleiner See befindet.

"Iu", ruft Jeremiasson mehrmals, als die Hunde zu weit nach rechts ausscheren. "Iu" steht für links, "ili" steht für rechts, und "unigiit" bedeutet stehen bleiben. Eigentlich recht einfach - dennoch kann es bei Gegenverkehr durchaus zu Komplikationen kommen. Wenn die Tiere schneller laufen sollen, kommt zuweilen auch die Peitsche zum Einsatz - doch damit schlägt Jeremiasson seine Hunde nicht wirklich, er wirbelt den Lederriemen lediglich gekonnt durch die Luft. Zwei Gäste aus Deutschland, die Jacken und Hosen aus flauschigem Robbenfell übergezogen haben, genießen die flotte Fahrt auf Jeremiassons Hundeschlitten. Nach gut einer Stunde ist ein Pausenplatz erreicht. Mit hängender Zunge hecheln die zwölf Hunde etliche Minuten lang, bevor sie sich langsam abgekühlt haben und sich gemütlich in den Schnee kuscheln.

Der Brunnen dient als Christbaumständer
Sisimiut, der Ausgangspunkt der abenteuerlichen Fahrt durch die Schnee- und Eislandschaft Westgrönlands, ist mit rund 6000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Grönland. Eine Stadt, in der sich die älteste Kirche des Landes befindet, aber auch die hässlichste Plattenbausiedlung. Keine Frage, in Sisimiut, was übersetzt soviel heißt wie "die Siedlung an den Fuchslöchern", ist die Zivilisation längst angekommen.

Es gibt ein modernes Krankenhaus und ein Chinarestaurant, viele der Bewohner arbeiten in einer Garnelen- und Krabbenfabrik, die zu den modernsten Fischfabriken der Welt gehört. Blaue Linienbusse fahren in verschiedene Ortsteile - und als Beitrag zur Kunst am Bau hat die Gemeindeverwaltung einen kleinen Springbrunnen aufstellen lassen. In den Wintermonaten wird dieser allerdings abgestellt, damit er nicht einfriert. Doch die Grönländer sind praktisch veranlagt - während der Brunnen verwaist ist, nutzt ihn die Gemeinde kurzerhand als Christbaumständer.

Das ursprünglichere Grönland findet sich in kleineren Siedlungen, etwa in dem ehemaligen Walfängerdorf Rodebay, in dem weniger als fünfzig Menschen leben. Hier gibt es weder Autos noch Plattenbauten, und die wenigen öffentlichen Gebäude werden allesamt mehrfach genutzt. Die Kirche dient an den Werktagen als Schule, und im Wohnhaus der örtlichen Krankenschwester findet sich auch gleich noch der Waschsalon des Ortes - denn fließend Wasser in sämtliche Häuser zu legen wäre bei winterlichen Temperaturen von bis zu minus 40 Grad so einfach nicht.

Quelle: Spiegel.de