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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hund erschreckt Kind im Gasthaus



Harry
11.04.2006, 09:33
Werter Herr Mag. Kabelka,

Ihre Meinung würde uns interessieren. Folgende Situation hat sich am Wochenende ergeben.

Nachdem wir mit unserem Hund am Nachmittag spazieren waren, gingen wir in ein Gasthaus, natürlich mit Hund. Unser Setter Baron ist nicht nur die Gutmütigkeit in Person, sondern war auch angeleint.

An einem der Nachbartische saß eine junge Familie mit kleinen Kindern. Das Mädchen der Familie kroch unbemerkt von uns unter dem Tisch zu Baron. Plötzlich schnellte, dass Kind in die Höhe (warum auch immer?) und schlug sich am Tisch den Kopf an. Gott sei Dank gab es keine blutende Wunde.

Baron hat sie nicht gebissen! Doch die Mutter des Kindes veranstaltete eine Szene und machte uns verantwortlich, dass wir nicht auf unseren Hund aufgepasst haben. Das ganze ging zwar glimpflich aus, doch nun zu meinen Fragen:

- Das Mädchen der Familie hat uns nicht um Erlaubnis gefragt, den Hund zu streicheln. Wären wir verantwortlich gewesen, wenn Baron Sie tatsächlich gebissen hätte?
- Unser gutmütiger Hund war im Gasthaus angeleint, aber ohne Beißkorb. Reicht dies?
- Unser Hund hat noch nie jemanden gebissen. Wäre dies ein Faktum, was für den Hund und gegen das Kind sprechen würde?

Danke im voraus für Ihren Expertenrat.

RA Mag.Kabelka
28.04.2006, 08:50
§ 1320 ABGB regelt: Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.

Es würde wohl zu klären sein, wer in diesem Fall welche Aufsichtspflichten verletzt hat.

So erscheint es nach dem geschilderten Sachverhalt ("kleine Kinder"), als hätten jedenfalls - auch - die für die kleinen Kinder Verantwortlichen verabsäumt, ausreichend auf die Kinder aufzupassen und ist in gegenständlichem Fall doch nicht nur ein Biss dess Hundes denkmögliche , sondern auch, dass der Hund das Kind umstößt, wodurch ebenfalls Verletzungen entstehen hätten können.

Andererseits ist dem Halter eines Hundes ohne Beißkorb auch zuzumuten, dass dieser aufmerksam ist und verhindert, dass dem Hund kleine, unbeaufsichtigte Kinder zu nahe kommen.

Grundsätzlich spielt es eine Rolle, ob es sich um einen gutmütigen und harmlosen Hund handelt; dazu gibt es ältere Judikatur, wonach gutmütige und harmlose Hunde keiner besonderen Aufsicht bedürfen. Vorsicht jedoch! Was unter "besonderer Aufsicht" zu verstehen ist, bedarf einer Prüfung im Einzelfall und trifft in diesem Fall den Hundehalter die Last, zu beweisen, dass für die erforderliche Beaufsichtigung gesorgt war.

Hätte der Hund gegebenenfalls einen Beisskorb getragen, wären wohl jedenfalls Bisswunden undenkbar, Verletzungen aber dennoch möglich gewesen.

Eine Schuldaufteilung im konkreten Fall erschiene möglich.

Harry
29.04.2006, 15:26
Werter Mag. Kabelka,

danke für Ihre juristische Auskunft. Dachte mir schon, dass ich keine Antwort bekomme. Umso mehr freue ich mich aber jetzt doch noch eine erhalten zu haben.

Denken Sie, dass wir unserer Aufsichtspflicht verletzt haben, wenn das Mädchen unbemerkt von uns unter dem Tisch zu Baron kroch? Wir haben Sie wirklich nicht gesehen und offenbar auch nicht ihre Eltern.

Wie erwähnt, unser Baron ist wirklich die Gutmütigkeit in Person, aber in Zukunft werden wir ihn einfach auch den Beißkorb geben.

MfG,

Harry

RA Mag.Kabelka
02.05.2006, 09:13
Ob die Aufsichtspflicht im konkreten Fall verletzt wurde, entscheidet nötigenfalls der Richter im konkreten Anlassfall.

Wesentlich dabei ist jedoch, worauf ich bereits hingewiesen habe: die Beweislast dafür, dass die Aufsichtspflicht nicht verletzt wurde, trifft den Hundehalter. Das bedeutet, dass nicht das geschädigte Kind als Kläger den Richter überzeugen müsste, dass der Hundehalter die Aufsichtspflicht verletzt hat, sondern dass der Hundehalter den Richter davon überzeugen (!) müsste, dass er seine Aufsichtspflichten nicht (!) verletzt hat. Dabei spielt wohl eine nachweisbare Gutmütigkeit des Hundes, wie schon erwähnt, eine Rolle.

Wenn sowohl die Eltern des Kindes als auch der Hundehalter nicht ausreichend auf Kind und Hund achteten, so könnte dies, wie bereits erwähnt, zu einer Schuldaufteilung führen.

Hingewiesen habe ich auch bereits darauf, dass eine Verletzung des Kindes auch mit Beißkorb möglich gewesen wäre (z.B. Hund stößt das Kind um) und sich dann im Falle einer Verletzung des Kindes die selben Fragen stellen würden.

Meiner persönlichen Einschätzung nach wäre jedenfalls die Grenze der Vorwerfbarkeit mangelnder Aufsicht erreicht, wenn sich das Kind ohne jegliches Zutun des Hundes, also nur, weil das Kind den Hund sieht und sich schreckt, durch Anschlagen des Kopfes an der Unterseite des Tisches verletzt.

Harry
03.05.2006, 08:26
Original von RA Mag.Kabelka
die Beweislast dafür, dass die Aufsichtspflicht nicht verletzt wurde, trifft den Hundehalter. Das bedeutet, dass nicht das geschädigte Kind als Kläger den Richter überzeugen müsste, dass der Hundehalter die Aufsichtspflicht verletzt hat, sondern dass der Hundehalter den Richter davon überzeugen (!) müsste, dass er seine Aufsichtspflichten nicht (!) verletzt hat. Dabei spielt wohl eine nachweisbare Gutmütigkeit des Hundes, wie schon erwähnt, eine Rolle.


S.g. Herr Mag. Kabelka,

ich möchte mich für Ihre weitere Auskunft recht herzlich bedanken.

Finde Ihre Ausführungen zur Beweislast sehr aufschlußreich und interessant.

MfG,

Harry